Eine Störung der Eierstockfunktion wird mit dem Fachbegriff Ovarialinsuffizienz bezeichnet. Der Eierstock ist für zwei wichtige Aufgaben zuständig, nämlich zum einen für die Entwicklung und Reifung der Eizellen und zum anderen für die Bildung wichtiger Geschlechtshormone (Progesteron und Östrogen). Diese Funktionen sind bei der Ovarialinsuffizienz eingeschränkt oder fehlen. Die Funktionsstörung kann vom Eierstock selbst ausgehen (primäre Ovarialinsuffizienz) oder andere Ursachen haben. Mit den Wechseljahren entwickelt sich natürlicherweise eine Ovarialinsuffizienz. Tritt sie jedoch schon in ungewöhnlich jungen Jahren in Erscheinung (etwa unter 35 Jahren), dann besteht eine krankhafte Ovarialinsuffizienz.
Generell lassen sich vier Grundformen der Ovarialinsuffizienz unterscheiden:
Zwischen Hypothalamus, Hypophyse (Hirnanhangdrüse) und Eierstöcken besteht ein Regelkreis mit verschiedenen Hormonen. Wenn auf einer dieser Ebenen eine Störung oder starke Abweichung auftritt, kann das Gleichgewicht durcheinandergebracht werden. Letztendlich wirkt es sich auf die Funktion der Eierstöcke aus.
Die primäre Ovarialinsuffizienz (Eierstockschwäche) besteht, wenn zu wenige oder gar keine Eifollikel vorhanden sind. Follikel beherbergen die Eizellen, die in ihnen reifen können, und die Follikel produzieren Hormone. Wenn nur wenige Follikel da sind, werden sie eher als bei anderen Frauen aufgebraucht. Damit kommt es frühzeitig zu einer Eierstockfunktionsstörung beziehungsweise zum Einsetzen der Wechseljahre. Häufig wird eine primäre Ovarialinsuffizienz vererbt. Beispielsweise kann es sich um eine Chromosomen-Abweichung handeln. Bei diesen Störungen bilden sich keine funktionsfähigen Eizellen. Statt normaler Eierstöcke zeigen sich Stränge aus Bindegewebe (so genannte Streak-Gonaden). Zu den Chromosomenstörungen, die zu fehlgebildeten Eierstöcken führen, gehören das Turner-Syndrom (statt zweier X-Chromosomen haben betroffene Frauen nur eines) oder das Swyer-Syndrom (Betroffene haben wie Männer ein X- und ein Y-Chromosom, aber äußerlich die Merkmale von Frauen). Auch gibt es Frauen, die zwar regelrecht die zwei X-Chromosomen aufweisen, aber eines davon verändert beziehungsweise geschädigt ist. Auf diese Weise kann ebenfalls eine Ovarialinsuffizienz zustande kommen.
Eine andere Möglichkeit, wie die primäre Ovarialinsuffizienz entsteht, ist ein Zugrundegehen von Follikeln im Eierstock. Ursprünglich sind die Eierstöcke dabei normal und funktionstüchtig. Die Ursache der Follikelschädigung können äußere Einflüsse sein, beispielsweise eine Bestrahlung oder eine Chemotherapie, Infektion des Eierstocks (Adnexitis) oder auch Rauchen. Prozesse des Immunsystems, wie sie auch bei bestimmten Krankheiten (Autoimmunkrankheiten) auftreten, können auch die Follikel angreifen. Zu diesen Erkrankungen gehören Rheuma (Rheumatoide Arthritis), Diabetes, Schilddrüsenstörungen oder die Krankheit Systemischer Lupus erythematodes. Die Ovarialinsuffizienz kann des Weiteren durch Tumore hervorgerufen werden. In einigen Fällen kann jedoch keine Ursache für die Schädigung der Eierstöcke gefunden werden.
Eine hypophysäre Ovarialinsuffizienz (Eierstockschwäche wegen Störung in der Hirnanhangdrüse) kann mehrere Gründe haben. Zum einen kann eine Entzündung in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) vorliegen wie z. B. Tuberkulose- oder Syphilis-Herde. Zum anderen können Tumore zu der Störung in der Hirnanhangdrüse führen wie beispielsweise ein Adenom, Prolactinom oder Kraniopharyngeom. Diese Erkrankungen führen dazu, dass Hormone von der Hypophyse in zu geringer oder aber in zu großer Menge ausgeschüttet werden. Besonders zu erwähnen ist das Prolactinom, das für eine vermehrte Bildung von Prolactin verantwortlich ist. Das Hormon Prolactin bewirkt die Vergrößerung und Entwicklung der Brustdrüse und die Milchbildung. Doch zu viel Prolactin kann verhindern, dass der Eisprung stattfindet und somit zur Ovarialinsuffizienz führen. Zudem zeigen sich Menstruationsstörungen. Eine zu hohe Ausschüttung von Prolactin kann auch durch weitere Erkrankungen wie eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), Stress sowie durch manche Medikamente verursacht werden. Eine inzwischen seltene Erkrankung der Hirnanhangdrüse mit folgender Ovarialinsuffizienz ist das Sheehan-Syndrom. Beim Sheehan-Syndrom ist Gewebe der Hirnanhangdrüse zugrunde gegangen, weil es meist wegen Blutverlust unter der Geburt unterversorgt wurde.
Noch eine Ebene höher wird die Eierstock-Funktionsstörung verursacht, wenn eine Störung im Hypothalamus, einem Teil des Gehirns, besteht (hypothalamische Ovarialinsuffizienz). Der Hypothalamus gibt dann zu wenig GnRH ab. GnRH ist ein Hormon, das die Ausschüttung von weiteren Hormonen in der Hirnanhangdrüse (FSH und LH) bewirkt. Diese Hormone bewirken wiederum eine Stimulierung der Eierstöcke. Die Ursache der Störung im Hypothalamus können Untergewicht (bei Anorexis/Magersucht), bestimmte Tumore wie Prolactinom, Stress, Medikamente, Schilddrüsenunterfunktion oder erbliche Störungen (das sehr seltene Kallmann-Syndrom) sein.
Bei einigen weiteren Störungen ist ein erhöhtes Vorkommen von Androgenen (männlichen Geschlechtshormonen) die Ursache für die gestörte Eierstockfunktion. So etwas kann beim PCO-Syndrom (Polyzystisches Ovarialsyndrom) auftreten, bei dem es aufgrund nicht ganz geklärter Mechanismen zu einer Bildung von Flüssigkeitskammern (Zysten) im Eierstock und zu hormonellen Abweichungen kommt. Doch auch andere Erkrankungen können der Grund für eine entsprechende Ovarialinsuffizienz sein.
Im normalen Ablauf des Lebens der Frau werden die Follikel im Eierstock bis zu einem Alter von ungefähr 50 Jahren aufgebraucht, die gewöhnlichen Wechseljahre kommen. Tritt dies schon vorher in Erscheinung (vor dem 40. und vor allem vor dem 35. Lebensjahr), dann bestehen vorzeitige Wechseljahre. So etwas sollte ärztlich untersucht werden.
Frühe Hinweise auf eine Ovarialinsuffizienz (Eierstockschwäche) können Menstruationsstörungen und deutlich abweichende Monatszyklen sein, insbesondere wenn die Monatsblutungen zuvor normal und regelmäßig waren.
Den unterschiedlichen Formen der Ovarialinsuffizienz ist gemeinsam, dass sie die Fruchtbarkeit stören. So ist es erschwert, eine Schwangerschaft zu erreichen. In vielen Fällen besteht eine ungewollte Kinderlosigkeit. Ein großer Teil der Frauen mit Eierstockstörungen kann gar kein Kind zeugen. Der unerfüllte Kinderwunsch ist für Frauen beziehungsweise Paare belastend. Das kann unter anderem auch seelische Auswirkungen haben wie Minderwertigkeitsgefühle, Streit mit dem Partner oder Depressionen.
Eine primäre Ovarialinsuffizienz wirkt sich aus wie die Wechseljahre, da ähnliche Mechanismen im Körper ablaufen. So kommt die Menstruationsblutung nicht mehr (Amenorrhoe). Ebenfalls sind typische Wechseljahresbeschwerden wie seelisches Ungleichgewicht, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Scheidentrockenheit, Libidostörungen (fehlende sexuelle Lust) möglich. Folge der Ovarialinsuffizienz ist häufig das Ausbleiben einer Schwangerschaft, auch wenn immer wieder mit dem Wunsch Geschlechtsverkehr ausgeübt wird, ein Kind zu zeugen. Eine primäre Ovarialinsuffizienz ist auch der häufigste Grund, dass sich bei Mädchen die Pubertät verspätet (Pubertas tarda). Dies liegt vor, wenn bis zum 16. Lebensjahr keine Regelblutung oder bis zum 14. Lebensjahr keine Reifezeichen der pubertären Entwicklung aufgetreten sind. Je nach Erkrankung kommt es teils auch gar nicht zur Pubertät.
Personen mit Chromosomenstörungen, die eine primäre Ovarialinsuffizienz zur Folge haben, haben weitere Merkmale. Diese finden sich auch schon, bevor die Eierstockschwäche auffällig wird. Bei den entsprechenden Störungen besteht das Aussehen einer Frau. Die weiblichen Genitalorgane sind angelegt, sie sind allerdings nicht vollständig entwickelt. Da die Eierstöcke (Ovarien) in Form von Bindegewebssträngen angelegt sind und funktionsuntüchtig sind, sind die Betroffenen unfruchtbar. Menstruationsblutungen bleiben ganz aus (primäre Amenorrhoe). Auch die Brustentwicklung ist gehemmt.
Beim Turner-Syndrom (Chromosomentyp X0) bestehen dazu Anzeichen wie eine geringe Körpergröße, eine auffällige Vermehrung der Haut des Halses (Pterygium colli) und geringer Schamhaarwuchs. Weitere Folge können Fehlbildungen sein, beispielsweise am Herzen, oder eine schlecht entwickelte Gebärmutter.
Bei einem Swyer-Syndrom (Chromosomentyp XY wie beim Mann, aber weibliches Aussehen) gibt es abgesehen von der Minderentwicklung der Brüste zunächst keine weiteren Auffälligkeiten oder Fehlbildungen. Aber auch bei diesen Betroffenen bleibt die Menstruation aus und sie sind unfruchtbar.
Die Chromosomenstörung mit Veränderung eines der beiden X-Chromosome (beim sonst normalen weiblichen Chromosomentyp XX) kann geringe bis starke Fehlbildungen zur Folge haben.
Bei der Eierstock-Funktionsstörung, die vom Hypothalamus ausgeht (hypothalamische Ovarialinsuffizienz), sind die Eierstöcke eigentlich nicht defekt. Sie werden aber nicht genügend in ihrer Funktion angeregt, da es an Hormonen aus dem Hypothalamus (GnRH) und somit auch aus der Hirnanhangdrüse (FSH und LH) mangelt. In einigen Fällen kann ein Untergewicht (durch Magersucht) ein (eventuell ursächliches) Anzeichen des Krankheitsbildes sein. Falls ein Tumor im Hypothalamus oder in der Hirnanhangdrüse die Ursache der Eierstockstörung ist, so können Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl oder Sehprobleme vorkommen. Auch bei diesen Formen einer Ovarialinsuffizienz findet keine normale Monatsblutung mehr statt (Amenorrhoe).
Wenn ein Prolactinom (Tumor, der das Hormon Prolactin bildet) besteht, dann kommt es zusätzlich zu einem abnormalen Milchfluss (Galaktorrhoe). Die weiteren Folgen fallen unterschiedlich stark aus: Der Monatszyklus kann annähernd normal sein, im anderen Extrem bleibt die Menstruation ganz aus. Viele Betroffene sind unfruchtbar. Prolactin führt zum Absinken einiger Hormonwerte, wie Östrogen (dies kann Osteoporose und sexuelle Unlust bedingen) und dem Schilddrüsenhormon TSH (eine Schilddrüsenunterfunktion kann sich bemerkbar machen). Ein beträchtlicher Gewebeuntergang der Hirnanhangdrüse (beim Sheehan-Syndrom) hat Folgen wie körperliche Schwäche, verminderter Körperhaarwuchs und geringere Pigmentierung oder sexuelle Unlust.
Eine durch zu viele Androgene (männliche Hormone) bedingte Eierstock-Funktionsstörung hat unterschiedliche Auswirkungen neben der eventuellen Unfruchtbarkeit der Frau und Menstruationsstörungen. So tritt häufig eine Vermännlichung (vermehrte Körperbehaarung, kleine Brüste, tiefere Stimme) auf.
Die Untersuchungen beginnen mit einem Gespräch (Anamnese) zwischen Arzt und Patientin. Der Arzt bekommt dort Hinweise aufgrund der Aussagen über Symptome und deren Dauer, über Vorerkrankungen, mögliche Menstruationsstörungen oder ausbleibende Schwangerschaften, austretende Milch und andere Punkte, die die Gesundheit und Geschlechtlichkeit betreffen. Der Arzt untersucht dann den Körper der Betroffenen, beurteilt die Ausprägung der Geschlechtsorgane und schaut unter anderem in die Scheide (gynäkologische Untersuchung). Eine Schwangerschaft wird ausgeschlossen (Schwangerschaftstest, Ultraschall), denn auch bei dieser bleibt die Regel aus.
In einer Blutentnahme sind insbesondere die Hormonwerte wichtig. Nicht nur Östrogen und Progesteron als weibliche Geschlechtshormone, welche bei der Ovarialinsuffizienz im Regelfall erniedrigt sind, sind ausschlaggebend. Bei einer primären Ovarialinsuffizienz sind normalerweise die Hormone FSH und LH erhöht, denn sie werden vermehrt von der Hirnanhangdrüse gebildet, können die defekten Eierstöcke aber nicht stimulieren. Bei Störungen in der Hypophyse oder auch im Hypothalamus sind FSH und LH wiederum erniedrigt. Ein Prolactinom (ein Tumor in der Hirnanhangdrüse) führt zu erhöhten Spiegeln des Hormons Prolactin. Auch kann ein erhöhter Spiegel der männlichen Hormone (Androgene) festgestellt werden.
Menstruationsstörungen und ungewollte Kinderlosigkeit können vielerlei Ursachen haben, die nicht immer mit dem Eierstock zu tun haben. In seinen Untersuchungen bedenkt der Arzt, welche Gründe für diese Störungen in Frage kommen. Auch weitere typische Anzeichen bestimmter Formen der Ovarialinsuffizienz können durch ganz andere Störungen oder Erkrankungen bedingt sein.
Eine primäre (schon ursprünglich bestehende) Ovarialinsuffizienz kann meist nicht erfolgreich behandelt werden. Die Frau bleibt in aller Regel unfruchtbar. Betroffene Frauen bis etwa 40 Jahren bekommen Östrogene als Ersatz für dieses fehlende eigene Hormon verabreicht. Strangartig veränderte Eierstöcke werden entfernt, um einer nicht auszuschließenden Entartung zu einem bösartigen Tumor aus dem Weg zu gehen.
Wenn eine Ovarialinsuffizienz vom Hypothalamus ausgeht, werden die fehlenden Hormone regelmäßig verabreicht. Dadurch kann nicht nur eine Fruchtbarkeit erreicht werden, sondern es können auch weitere Folgeerscheinungen wie Osteoporose verhindert werden. Essstörungen als Ursache können beispielsweise mit einer Psychotherapie behandelt werden. Bestimmte Erkrankungen, die zur Ovarialinsuffizienz geführt haben, werden speziell behandelt (Diabetes).
Ist ein erhöhter Prolactin-Wert die Ursache für die Eierstockschwäche, dann wird mit der Therapie versucht, diesen zu normalisieren. Möglichkeiten sind die Gabe von Arzneimitteln, die die Bildung dieses Hormons unterbinden, oder eine Operation, um einen Tumor an der Hirnanhangdrüse (das Prolactinom) zu beseitigen.
Sollte ein PCO-Syndrom (polyzystisches Ovarialsyndrom) vorliegen, dann können Hormone oder auch Cortison gegeben werden. Hier werden Hormone ähnlich der Anti-Baby-Pille eingesetzt, doch wenn eine Schwangerschaft erzielt werden soll, werden bestimmte andere hormonelle Mittel gegeben. Bei anderen Formen von Ovarialinsuffizienz mit erhöhten Androgenspiegeln können ebenfalls bestimmte Medikamente wie Cortison oder Hormone gegeben werden.
Da es viele mögliche Ursachen für die Ovarialinsuffizienz gibt, sind die Aussichten äußerst unterschiedlich. Eine primäre Ovarialinsuffizienz (Funktionsstörung, die vom Eierstock selbst ausgeht, z. B. durch Erbgut-Abweichungen) lässt sich normalerweise nicht erfolgreich behandeln und ein Kind kann nicht gezeugt beziehungsweise ausgetragen werden.
Eine Ovarialinsuffizienz anderen Ursprungs (im Hypothalamus, in der Hirnanhangdrüse oder wegen Androgen-Überschuss) lässt sich recht häufig gut behandeln. Werden hier die Hormonwerte wieder in normale Bereiche gebracht, dann ergibt sich häufig auch wieder ein Menstruationszyklus und eine ausreichende Fruchtbarkeit.
aktualisiert am 14.12.2020