Ein Abszess ist eine Entzündung, bei der es zu einer Eiteransammlung kommt. Der Eiter sammelt sich im Gewebe an und bildet einen Hohlraum im Ober- oder Unterkiefer. Dieser wird vom umliegenden Gewebe abgekapselt und verursacht typische Symptome. Am Kiefer zeigt sich der Abszess als eine schmerzhafte, warme und druckempfindliche Schwellung. Abszesse im diesem Bereich können sich als Folge von Zahnerkrankungen oder nach zahnärztlichen Eingriffen entwickeln. Ist der Abszess einmal vorhanden, dann müssen chirurgische Maßnahmen durchgeführt werden, um den Kieferabszess zu entfernen. Je früher der Abszess operiert wird, desto kleiner ist der Eingriff und umso besser sind die Heilungschancen.
Abszesse entstehen häufig ohne erkennbaren Grund. Am Kiefer sind es in den meisten Fällen lokale Entzündungen, die Abszesse hervorrufen. Die Entzündung wird durch das Bakterium Staphylococcus aureus, seltener durch andere Bakterien oder Pilze verursacht.
Insbesondere an Kiefer, Gesicht und am Hals sind örtliche Ursachen für den Abszess verantwortlich. Dazu gehören:
Ein toter Zahn bietet den optimalen Nährboden für Bakterien. Bakterien können zudem leichter eintreten, wenn Karies vorliegt.
Eine Entzündung, bei der sich ein Abszess entwickeln kann, kann auch durch Wunden in diesem Bereich (nach dem Ziehen eines Zahns) ausgelöst werden. Des Weiteren kann eine Entzündung eines Lymphknotens zu einem Lymphknotenabszess führen.
Ein Abszess am Kiefer zeigt sich durch typische Symptome. Im Anfangsstadium ist er oft beschwerdefrei. Als erstes Entzündungszeichen entsteht ein Ödem, das sich anschließend als teigige Schwellung zeigt. Fortgeschrittene Abszesse bilden an der Hautoberfläche eine Beule. Der betroffene Bereich ist gerötet, überwärmt, geschwollen, sehr schmerzhaft und berührungsempfindlich. Ist so viel Eiter vorhanden, dass er keinen Platz mehr im Hohlraum hat, dann entleert er sich in das umliegende Gewebe und führt zu einer starken Schwellung an der Wange oder unter der Mundschleimhaut.
Ist der Abszess durch Zahnprobleme ausgelöst, dann können zudem folgende Symptome auftreten:
Bei Abszessen im Unterkiefer können Schluckbeschwerden entstehen, das Kauen kann stark eingeschränkt sein und der Mund nicht mehr weit geöffnet werden (Kieferklemme). Durch die eingeschränkte Bewegung des Kiefers können Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und beim Sprechen auftreten. Ist der Oberkiefer betroffen, dann können Schwellungen der Augen auftreten.
Die Entzündung kann auf das Gewebe in der Nähe übertreten. Strukturen wie Knochen, Muskulatur oder Nerven, können dadurch unwiederbringlich geschädigt werden.
Eine gravierende allgemeine Schwächung mit Fieber kann auftreten. Im schlimmsten Fall kann der Abszess zu einem Übertreten der Infektion auf das Blut, einer so genannten Sepsis, führen, die lebensgefährlich ist.
Kieferabszesse sind oftmals schon durch Beschwerden und Vorgeschichte zu diagnostizieren und meist ohne besondere Untersuchungen erkennbar, wenn sie oberflächlich liegen. Wer einen Verdacht auf einen Kieferabszess hat, sollte einen Zahnarzt aufsuchen. Dieser führt eine Befragung durch und untersucht den Mundraum von innen und von außen. Ist der Abszess schon weit fortgeschritten, dann kann man ihn mit bloßem Auge erkennen. Tritt Eiter aus, dann kann dieser untersucht werden. Dabei wird ein Abstrich durchgeführt, um den Erreger zu identifizieren und gezielt mit Antibiotika zu behandeln.
Tiefer liegende Abszesse werden durch bildgebende Verfahren wie Ultraschall, eine Röntgenaufnahme des Kiefers oder Computertomographie (CT) diagnostiziert.
Abszesse haben in der Regel sehr charakteristische Anzeichen, besonders wenn sie an der Körperoberfläche liegen. Sie können selten auch mit ähnlichen Formen von Entzündungen, wie Furunkel, verwechselt werden.
Je früher ein Kieferabszess behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen.
Antibiotika oder andere Medikamente erreichen durch die Abkapselung und den konzentrierten Eiter oft nicht die erforderliche Konzentration im Abszess. Dennoch werden sie gegeben, um eine Ausbreitung der Entzündung zu verhindern. Auch das Einstechen mit einer Kanüle mit Herausziehen des Eiters bringt meist wenig Erfolg, weil sich der Abszess erneut bildet. Die Eröffnung der Entzündungskapsel ist die wirkungsvollste Therapie.
Eine alleinige Behandlung mit Antibiotika ist nicht ausreichend, um einen Kieferabszess zu bekämpfen. Neben der Behandlung mit den richtigen Antibiotika, muss der Abszess durch einen kleinen Schnitt eröffnet werden.
Die Abszesseröffnung erfolgt oft in örtlicher Betäubung, kann in bestimmten Fällen aber auch in Vollnarkose durchgeführt werden. Lokale Betäubungsmittel (Lokalanästhetika) wirken im entzündeten Gewebe nur schlecht, deshalb kann der Patient während der Operation Schmerzen empfinden. Aus diesem Grund wird bei ausgeprägten Entzündungen zu einer Kurznarkose geraten.
In den meisten Fällen wird ein Abszess von innen eröffnet. Bei fortgeschrittenen Kieferabszessen ist es notwendig, den Abszess von außen zu eröffnen. Es erfolgt je nach Lage des Abszesses ein Schnitt unter dem Unterkieferrand, an der Wange, an der Schläfe (Abszesseröffnung von außen) oder innerhalb der Mundhöhle (Abszesseröffnung von innen). Manchmal werden auch mehrere Einschnitte in verschiedenen Bereichen notwendig.
Der Eiter kann dadurch aus der Abszesshöhle fließen. Die Schnittwunde wird offen gelassen und ein Drainageröhrchen, eine Gummilasche oder ein Stück Zellstoff eingeführt, damit weiterhin eine Ableitung des Eiters nach außen erfolgt. Das eingelegte Material muss gegebenenfalls mehrfach gewechselt werden. Bei der Eröffnung von außen erhält der Patient meist einen Verband.
Falls sich unnatürliche Verbindungsgänge (Fisteln) zu anderen Organen oder zur Haut gebildet haben, so müssen diese ebenfalls operiert beziehungsweise eröffnet werden.
Später kann es möglicherweise notwendig sein, die Ursache für den Abszess zu bekämpfen, indem beispielsweise ein Zahn gezogen wird, eine Zyste operiert wird oder eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt wird.
Bei der Eröffnung des Abszesses kann es unter anderem zu Blutungen, Nachblutungen und Blutergüssen kommen. Durch Nervenverletzung (zum Beispiel des Gesichtsnervs, Nervus facialis) können ein Taubheitsgefühl oder Lähmungserscheinungen entstehen, die meist vorübergehend, manchmal auch langfristig bestehen können. Weitere Strukturen in der Nähe des Abszesses können in Mitleidenschaft gezogen werden. Es tritt selten auf, dass sich Wundheilungsstörungen oder überschießende Narben (Keloid) ausbilden oder eine neuerliche Infektion mit eventuell weiteren Verbindungsgängen entsteht.
Ist der Abszess einmal gespalten, so klingen die Beschwerden rasch ab. Das komplette Abheilen nimmt einige Wochen in Anspruch. In dieser Zeit sind häufige Kontrolluntersuchungen durch den Arzt erforderlich. Sehr selten kann die Entzündung durch den Eingriff nicht eingedämmt werden. Möglich ist auch ein Wiederauftreten des Abszesses. Eine zweite Operation zur Abszesseröffnung kann unter Umständen notwendig sein.
Je nachdem, ob umgebendes Gewebe beeinträchtigt wurde, können sich dort Funktionsprobleme ergeben.
Vor der Operation müssen gegebenenfalls blutgerinnungshemmende Arzneimittel in Absprache mit dem Arzt weggelassen werden. Dies kann beispielsweise Marcumar® oder Aspirin® betreffen.
Eine Tetanus-Impfung sollte bei einem Abszess durchgeführt werden, falls kein ausreichender Schutz mehr besteht.
Bei einer Operation vom Mundraum aus sollte der Patient vier Stunden vor dem Eingriff nichts mehr essen und auch nicht mehr rauchen. Wasser und Tee dürfen noch bis zwei Stunden vorher getrunken werden.
Erfolgt die Operation unter ambulanten Bedingungen, so muss sich der Patient abholen lassen und darf innerhalb eines Tages keine Autos oder Maschinen bedienen. Ebenso sollten wichtige Entscheidungen vertagt werden.
Auch nach dem Eingriff sollte nicht geraucht werden, weil dadurch Wundheilungsstörungen gefördert werden. Es sollte für mehrere Wochen eine zu starke körperliche Betätigung gemieden werden. Die Körpertemperatur sollte regelmäßig gemessen werden. Kälteanwendungen sind förderlich für die Heilung, Wärme ist eher schädlich.
Nach einer Operation von innen (über den Mundraum) sollte in den ersten Stunden nur Wasser getrunken werden. In den ersten drei Tage sollte nur Flüssignahrung oder Brei gegessen werden. Ebenso ist es ratsam, Alkohol und Kaffee zu meiden, um die Wunde nicht zu reizen. Der Mund sollte nach den Mahlzeiten ausgespült werden. Beim Zähneputzen ist besondere Vorsicht geboten. In äußerst selten Fällen kann es auch notwendig sein, die Ernährung über eine Magensonde zu geben.
Bei Auffälligkeiten, die auf Komplikationen hindeuten könnten, sollte umgehend der Arzt beziehungsweise die Klinik informiert werden.
ADA - American Dental Association - Mouth Healthy: https://www.mouthhealthy.org/all-topics-a-z/abscess (online, letzter Abruf: 02.01.2019)
BMJ - Melanie S. Lang, Thomas B. Dodson - Dental abscess: https://bestpractice.bmj.com/topics/en-us/1206 (online, letzter Abruf: 02.01.2019)
Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) - Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Dr. Dr. Julia Karbach, S3-Leitlinie Odontogene Infektionen: https://www.dgzmk.de/odontogene-infektionen-s3- (online, letzter Abruf: 02.01.2019)
aktualisiert am 02.01.2020